Gedanken zu einer Nachhaltigen Entwicklung - Was ist Nachhaltigkeit?

Unter dem Begriff Nachhaltigkeit verfolgen Akteure das Ziel, langfristig eine ökologische, ökonomische und soziale Ausgewogenheit zu erreichen. Dies wird auch als das Drei-Säulen-Modell bzw. als Nachhaltigkeitsdreieck bezeichnet.  Die Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestags hat beschlossen, dass alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen bewertet werden sollen. Ich vertrete allerdings die Ansicht, dass die Ökologie über die anderen Dimensionen gestellt wird, da sie die Grundlage für die Ökonomie und Soziokulturelles bildet und die natürlichen Vorgänge in einem Ökosystem nicht mit Humankapital ersetzt werden können.

Nachhaltigkeitsdreieck

Ökologie

Ökonomie

Soziokulturelles

Aus politischer Sicht gab es schon zahlreiche Vorgaben und Beschlüsse, die eine nachhaltige Entwicklung begünstigen bzw. fördern. Einen Überblick über die Geschichte der Nachhaltigkeit finden Sie weiter unten auf dieser Seite. Politische Entscheidungen greifen allerdings häufig zu kurz, da Faktoren wie die Wiederwahl, die momentane Glaubwürdigkeit oder auch Lobbyismus wichtigere Rollen spielen, als das langfristig orientierte Ziel der Nachhaltigkeit. Deshalb ist es notwendig, dass auch die einzelnen Wirtschaftssektoren sich um Nachhaltigkeitsaspekte bemühen, auch wenn diese noch nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.

Vor allem der Bausektor hat mit seinen enormen Stoff- und Energieströmen eine erhebliche Chance, nachhaltig zu agieren. Die Umwelt muss zum Einen als Entnahmemedium geschont und zum anderen als Aufnahmemedium entlastet werden. Dies kann mithilfe von Effizienzsteigerungen geschehen, indem z.B. das Verhältnis der eingesetzten Menge zum hergestellten Produkt optimiert wird. Oder aber auch mithilfe von Suffizienzstrategien, bei denen von Anfang an die Bedürfnisse auf ein niedrigeres Niveau gebracht werden. Grundsätzlich sollte vor jedem Eingriff in die Natur eine detaillierte und ganzheitliche Bedarfsanalyse gemacht werden. Oftmals lassen sich teure Anlagentechniken, wie zum Beispiel eine Klimaanlage durch intelligente Planung eines passiven Verschattungssystems ersetzen. Als anschauliche Metapher gilt der Laubbaum, der früher häufig vor dem Haus im Garten auf der Südseite gepflanzt wurde. Hier konnte er im Sommer Schatten spenden und im Winter die wärmenden Sonnenstrahlen hindurch lassen. Diese bildhafte Darstellung zeigt, dass es unabdingbar ist, in Kreisläufen zu denken und auch beim Nachhaltigen Bauen innovative und kreative Lösungen mit alt bewerten Techniken und Erfahrungen kombiniert werden müssen. 

Die zunehmenden Probleme der Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit und Klimawandel betreffen alle Regionen und Länder weltweit. Hieraus ergeben sich neue, höhere Anforderungen an Gebäude. Planer müssen vorausschauend und flexibel planen, um den sich ständig ändernden Anforderungen gewachsen zu sein. Eine ganzheitliche Betrachtung ist dabei unerlässlich. 

Was bedeutet Nachhaltiges Bauen?

Nachhaltiges Bauen befindet sich in einem ständigen Wandel. Als einer von sechs Leitmärkten der Europäischen Union ist das Nachhaltige Bauen eines der wichtigsten Themengebiete im Bereich der Nachhaltigkeit. 

Ungefähr die Hälfte  der gesamten Primärenergie in Deutschland wird für die Bewirtschaftung der Gebäude benötigt. Zusätzlich beansprucht das Bauwesen rund die Hälfte aller nicht nachwachsender Rohstoffe und ist für 60% des Abfallaufkommens verantwortlich. 

Leider ist der Immobilienmarkt ein sehr träges System, welches lange Zeit benötigt, um auf Änderungen in Form von Vorschriften und Gesetzen reagieren zu können. Aufgrund der langen Lebensdauer und der hohen Individualität von Gebäuden ist es schwierig, allgemeine Vorgaben zur Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten zu machen. Eine besondere Notwendigkeit besteht deshalb darin, alle Akteure am Bau für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren, um eine ganzheitliche und integrale Durchdringung der Bauwirschaft in Richtung einer nachhatligen Entwicklung zu bewegen. 

Strategien zur Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung

Nachhaltiges Bauen wird zunehmend geschäftsrelevant. Seit Jahren gibt es einen Aufwärtstrend, der mit einem hohen Planungsaufwand und sich ständig verändernden Anforderungen einhergeht. Zudem umfasst das Nachhaltige Bauen viele Bereiche und es ist schwierig sich auf ein spezielles Gebiet allein zu konzentrieren. Um der ganzen Thematik gerecht zu werden, sollte immer ein ganzheitlicher Ansatz gewählt werden. 

Einige Ansätze und Ideen sowie konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Entwicklung mit speziellem Fokus auf das Baugewerbe sollen im Folgenden kurz erläutert werden.

Digitale Hausakte – der Gebäudepass

Ein viel zu selten kritisierter Aspekt im Baugewerbe ist die fehlende Bauwerksdokumentation. Das Problem ist hierbei die zerhackte Wertschöpfungskette bei dem Bau von Immobilien. Bis zur Errichtung eines Gebäudes ist eine Vielzahl an Planern, Unternehmern, Handwerkern und Beratern beteiligt, die häufig nicht ausreichend miteinander im Dialog stehen. Die Informationsflüsse zwischen den beteiligten Akteuren müssen verbessert werden. Hinzu kommt, dass die Nutzer selten ausreichend Kenntnisse über den richtigen Umgang mit dem Gebäude haben. Für jedes elektronische Geräte, das man im Handel kaufen kann, erhält man eine mehrseitige Bedienungsanleitung meist in mehreren Sprachen. Wenn man jedoch eine Immobilie kauft, die ein 1000-faches kostet, erhält man nur selten konkrete Informationen zu Materialien und Bauteilaufbauten, geschweige denn Unterlagen wie eine Bedienungsanleitung oder eben eine digitale Hausakte/Gebäudepass. 

In einer solchen Datenbank/Datei sollen die Produkte und Verarbeitungsmethoden ebenso dokumentiert werden wie die ausführenden Firmen und Wartungs- und Austauschzyklen bzw. Lebensdauern. Die Möglichkeiten sind dabei grenzenlos. Denkbar sind Daten zu der technischen Gebäudeausrüstung ebenso wie Tipps zum richtigen Lüften in Wohnräumen. Auch im Hinblick auf eine mögliche Sanierung oder Modernisierung sind  Dokumentationen von Gebäuden unabdingbar. 

Nur so kann gewährleistet werden, dass auch noch nach Jahren die notwendigen Informationen über das Haus bekannt sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt beim Hausbau ist die Betrachtung der Lebensdauer verschiedener Produkte. Aufgrund der Tatsache, dass der Bau einer Immobilie enorme Eingriffe in die Natur und die Umwelt darstellt, muss darauf geachtet werden, dass die Gebäude eine möglichst lange Lebensdauer besitzen. Rohstoffe, die schon einmal verwertet und verbaut wurden, sollen demnach möglichst lange genutzt werden, um eine erneute Ressourceninanspruchnahme zu verhindern. Aspekte wie die Entsorgung und Recyclingfähigkeit spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle. Schon bei der Planung des Gebäudes muss der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden, um eine Lösung im Sinne der Nachhaltigkeit zu erreichen. 

Lebenszyklusgedanke

Beim Bau eines nachhaltigen Gebäudes sollte bewusst mit den natürlichen Ressourcen umgegangen werden. Ziel ist es mit umweltfreundlichen und gesundheitlich unbedenklichen Materialien und Konstruktionen, die vielseitigen Anforderungen und die heutigen Komfortansprüche zu erfüllen. Es gilt weiter den Energiebedarf möglichst gering zu halten und den Einsatz von regenerativen Energien auszubauen. Die Qualität und Langlebigkeit der Konstruktion muss dabei im Einklang mit dem wirtschaftlichen Investitions- und Betriebskosten stehen. 

Um dies zu erreichen ist eine integrale Planung mit modernen Planungs- und Simulationssoftwares, neue Konzeptionen, Ökobilanzierungen und Lebenszykluskostenberechnungen notwendig. Und über all diesen Aspekten steht der Lebenszyklusgedanke. Nur wenn wir bereits heute zukünftige Szenarien (so gut wie möglich) wie Abfallentsorgung, Ressourcenverknappung, Klimawandel berücksichtigen, können wir sicherstellen, dass das Gebäude auch noch den Anforderungen in 30, 50 oder 100 Jahren genügt. Im Idealfall können wir in der Zukunft unsere älteren Bestandsgebäude am Ende ihres Lebenszyklus sozusagen als Rohstofflieferant für neue Gebäude verwenden. Erste Pilotprojekte mit Recyclingbeton wurden schon erfolgreich durchgeführt. 

Der erhöhte Ressourcenverbrauch geht auch einher mit einer erheblichen Zunahme schädlicher Emissionen und Schadstoffen. Der weltweite Klimawandel ist wohl die größte Herausforderung im 21.Jahrhundert. Hieraus ergeben sich erhebliche Änderungen bei der Planung und Ausführung zukunfts- und krisensicherer Gebäude.

In Deutschland gehen über die Hälfte der Abfallmaterialien, ungefähr die Hälfte der nichtbiologischen Rohstoffe sowie fast die Hälfte des Primärenergiebedarfs auf den Bausektor zurück. Dies zeigt umso mehr, dass nachhaltiges Bauen und Wirtschaften einen wesentlichen Beitrag zur Umwelt- und Ressourcenschonung leisten kann.

 Können wir uns Nachhaltigkeit leisten?

Die Frage, die sich jeder spätestens zu diesem Zeitpunkt stellt ist: „Können wir uns Nachhaltigkeit überhaupt leisten?“

Gerade beim Kauf oder Bau einer Immobilie ist ohnehin schon viel Kapital in Bewegung (und häufig knapp kalkuliert), sodass jeder zusätzliche Euro für etwas, dass sich womöglich erst in Jahren rechnet, oftmals zu viel ist. Volkswirtschaftlich betrachtet gibt es auf die obige Frage jedoch eine einfache Antwort: „Wenn wir weitermachen wie bisher, kosten uns die Konsequenzen unseres Handelns ein Vielfaches von den Maßnahmen, die wir heute zur Eindämmung der Erderwärmung, Ressourcenverknappung, Umweltbelastung, Biodiversität, etc. umsetzen können.“

Es ergibt sich daher die Notwendigkeit nachhaltig zu handeln. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und stellt immer höhere Anforderungen und Maßnahmen auf. Aber nicht nur der Zwang der neuen und verschärften Gesetze bewirkt die notwendigen Veränderungen. Steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie gebäudebezogene Gesundheitsprobleme und Komfortkriterien führen zu einem dauerhaften Umdenken bei den Bauherren und Planern. Und dies führt nicht unbedingt zu Mehrkosten. Nachhaltig zu bauen, heißt eben auch ökonomisch zu bauen. Die frühzeitige Betrachtung von Nachhaltigkeitsaspekten kann kurz- bis mittelfristig zu signifikanten Kosteneinsparungen führen. Zudem steigt der Wert einer nachhaltigen Immobilie wesentlich schneller und sie ist aufgrund der Bauweise auch noch länger nutzbar und schadstoffärmer.

Geschichte der Nachhaltigkeit - Erfolgskonzept seit über 300 Jahren?

Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde bereits im 17.Jahrhundert im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft von Hans Carl von Carlowitz (1645-1714)  geprägt. Die Idee war nur so viel Bäume zu schlagen, wie innerhalb eines vernünftigen Zeitraum wieder nachwachsen können. Diese Idee ist auch noch heute brandaktuell.

Der Club of Rome hat 1972 mit dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (Originaltitel: The Limits to Growth) die aus ihrer Sicht wichtigsten Zukunftsprobleme der Menschheit und des Planeten aufgezeigt. Ihre Computersimulation kam zu folgendem Schluss:

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Durch diese Entwicklung könnte die Welt irreparabel zerstört werden, sodass ein Umdenken bei der Wachstumsidee stattfinden muss. Das grenzenlose Wachstum des Kapitalismus zulasten und auf Kosten der Umwelt, kann nicht endlos weitergeführt werden. 

The Party is over?

Der neue Club of Rome Bericht „2052: Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“ postuliert zusammengefasst, dass unsere Erde die extremen Umweltbelastungen durch Emissionen und Klimaerwärmung u.a. nicht mehr kompensieren kann und sich dadurch die Lebensbedingungen für einen Großteil der Menschheit dramatisch verändern wird. Diese neue Analyse zeigt, dass Computermodelle immer nur eine mögliche Zukunft aufzeigen können, abhängig von den Eingabeparametern und den zugrunde liegenden Annahmen. Die Realität ist häufig komplexer und unberechenbar. Dies macht die Bedrohung durch den Klimawandel & Co auch zu einem großen Risiko, da niemand weiß, wie sich unsere Ökosysteme verhalten werden. Rechenmodelle haben gezeigt, dass bei nichtlinearen Systemen (wie unsere Umwelt definitiv eines ist) geringe Änderungen auf der Inputseite, riesige Änderungen auf der Outputseite hervorrufen kann. Auf der anderen Seite hat sich auch gezeigt, dass oftmals große Änderungen beim Input zu gar keinen Auswirkungen beim Output geführt haben. Komplexe Systeme hängen also mehr von zufälligen Erscheinungen ab, als wir denken. Die (Um-)Welt ist nicht berechenbar. Um nicht auf spezielle Umweltauswirkungen, die sich sicherlich stetig verändern, eingehen zu müssen, hat sich die Kommission um die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland eine allgemeingültige Definition einfallen lassen, welche sich nicht auf konkrete Umweltbelastungen bezieht.

Im Jahr 1987 wurde mit dem Brundtland-Bericht (Originaltitel: Our Common Future) eine heute allgemein gültige Definition für eine Nachhaltige Entwicklung festgelegt. 

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Es geht also nicht nur um Gerechtigkeit innerhalb einer Generation, sondern auch um die Generationengerechtigkeit. Dieser Faktor ist entscheidend. Wir können die Vielzahl der Probleme, die wir heute verursachen nicht einfach auf die nachkommenden Generationen übertragen, in der Hoffnung, dass unseren Kindern in Zukunft etwas Schlaues einfällt, um die Probleme zu lösen. Zumal wir heutzutage aufgrund der Komplexität dynamischer Systemen, keine genaue Risikobewertung und Risikoabschätzung mehr für die Zukunft treffen können.